Ein Interview mit Eva Biringer
Eva Biringer ist Journalistin, Autorin und Bloggerin. Anlässlich des Frauentages hat unsere Kollegin Lisa Wessely sie zu ihrem Buch "Unabhängig. Vom Trinken und Loslassen." interviewt.
Lisa Wessely, Dialog: Liebe Eva, herzlichen Danke für das Interview. Du hast in deinem Buch sehr genau beschrieben, wie du den ersten Alkoholkonsum erlebt hast. Mich würde interessieren, ob das schon davor ein Thema für dich war? Hast du darüber nachgedacht, Alkohol zu trinken, oder ist es eher so passiert?
Eva Biringer: Also sicher hat es mich nicht so beschäftigt, weil das würde mir jetzt - denke ich – einfallen. Es kam wirklich an dem Tag unvorbereitet. Und es war ja auch eher der Plan meiner beiden Freunde als meiner. Ich werde sicher mit Alkohol in Berührung gekommen sein: Eltern trinken, Dorfgemeinschaft trinkt, vielleicht auch ältere Freunde. Aber es war jetzt nicht so, dass meine Gedanken um Alkohol gekreist sind. Ich glaube, es kam doch recht unvorbereitet für mich.
L: Du beschreibst in dem Buch auch, wie sich der Konsum entwickelt hat. Mein Eindruck aus der Präventionsarbeit mit Jugendlichen ist, dass sie eigentlich ganz gut wissen, wer aus ihrem Freundeskreis einen schwierigeren Umgang mit Alkohol hat, wer ein bisschen auffälliger trinkt oder wer dann zum Beispiel Schwierigkeiten macht. Hattest du selber von dir den Eindruck, dass dein Konsum anders ist als bei anderen? Oder haben Freunde einmal etwas zu dir gesagt?
E: Mir war selber schon klar, dass mein Konsum nicht normal ist, dass ich ihn nicht unter Kontrolle habe, eigentlich schon von Beginn an. Man sieht es ja beim ersten Mal: Offensichtlich habe ich nicht aufgehört, sondern die beiden, mit denen ich getrunken habe, haben mir die Flasche aus der Hand gerissen. Scheinbar habe ich von Anfang an ein Kontrollproblem gehabt.
Ich war immer sehr selbstkritisch, ich habe mir das nicht schöngeredet, sondern ich habe es zumindest registriert und gesehen: „Okay, andere trinken ein, zwei Gläser Wein und die sind vielleicht auch mal betrunken, aber dann reicht es denen auch wieder für ein paar Wochen oder Monate. Und bei mir war das anders. Ich konnte bei einzelnen Trinkanlässen nicht aufhören und habe auch schon bald regelmäßig getrunken.
Angesprochen wurde ich in der Jugend von Freunden nie, ich glaube da hatte man auch noch nicht das Bewusstsein dafür. Aber auch später kaum. Ich war immer sehr selbstkritisch mit meinem Trinken, das ist das eher von mir gekommen.
L: Also du hast deinen Konsum von dir aus anderen gegenüber angesprochen?
E: Ja. Also zumindest bei meinen engen Freunden, die kannten die Geschichten ja alle. Das war teilweise auch lustig, wenn ich erzählt habe: "Haha, ratet mal, was mir jetzt wieder passiert ist". Ich habe mich überhaupt nicht damit versteckt. Im Gegenteil: Ich habe es erzählt, mein Instagram-Account war ja auch voll mit irgendwelchen Flaschenfotos.
Ein Exfreund meinte mal: "So will ich dich nicht noch einmal sehen", bezogen auf einen sehr extremen Trinkabend. Aber gut, das war dann auch am nächsten Tag wieder vergessen.
Es hat mich jetzt nie jemand so zur Seite genommen und gesagt "Hey, ich glaube du hast ein Alkoholproblem“
L: Hätte es überhaupt Personen oder Situationen gegeben, wo es funktioniert hätte, dich anzusprechen, und es hätte bei dir Klick gemacht?
E: Naja, meine Eltern. Aber die waren einfach zu weit weg, vor allem als ich nicht mehr bei ihnen gewohnt habe. Ich könnte mir vorstellen, dass das schon eher was gebracht hätte, aber auch erst ab einem bestimmten Alter. Weil lange Zeit reagiert man dann doch eher mit Trotz.
L: Glaubst du, du wurdest wegen deinem selbstkritischen Verhalten nicht angesprochen? Dass andere sich gedacht haben, du weißt es eh? Oder glaubst du, dass es da auch eine gewisse Scheu gibt, jemanden anzusprechen, der den Alkoholkonsum nicht mehr unter Kontrolle hat?
E: Beides. Also ich glaube, in meinem speziellen Fall dachten die Leute tatsächlich, sie redet ja selber die ganze Zeit davon. Dadurch, dass ich fast die ganze Zeit Single war in der Zeit, gab es jetzt aber auch nicht die eine Person, die alles zur Gänze mitbekommen hat, sondern jede Freundin immer nur einzelne Erlebnisse. Niemand hat so das ganze Desaster gesehen. Dadurch fanden es tatsächlich viele eher übertrieben, als ich meinte, ich höre jetzt ganz auf zu trinken. Mit Reaktionen wie: "Boah echt, nie wieder?" und "Naja, du bist doch auch Food-Journalistin" und so.
L: Die Reaktion war eher, dass es übertrieben ist, von dir zu sagen: "Ich habe ein Problem mit Alkohol, ich trinke nicht?
E: Genau. Aber deswegen finde ich es auch so wichtig, darüber zu sprechen. Ich würde mal sagen, bei mir war es noch irgendwo im Bereich "Lifestyle-Abhängigkeit". Also klar, ich habe ein Problem, aber ich habe nie morgens getrunken, ich konnte auch locker einen Monat nicht trinken oder zwei. Ich habe auch mal nur ein Glas am Abend getrunken. Und hatte auch immer noch mein Leben unter Kontrolle. Aber es ist trotzdem auch eine mögliche Form von Alkoholabhängigkeit.
L: Gibt es denn jetzt Situationen, die schwierig für dich sind in Bezug auf Alkoholkonsum, die du zum Beispiel meidest oder hast du dir da eigene Strategien angeeignet?
E: Überraschenderweise nicht. Also es gibt wirklich keine Trigger-Momente. Dafür bin ich extrem dankbar, ich weiß, das ist nicht typisch für eine Sucht. Ich kann wirklich alles machen, was ich früher auch gemacht habe. Aber vieles interessiert mich einfach nicht mehr. Bars haben ihren Reiz verloren. Aber es ist mir total egal, was Leute am Tisch trinken, ich gehe auf Partys, ich war jetzt schon mehrfach im Club.
L: Gibt es auch die umgekehrte Situation? Wirst du zu manchen Events nicht mehr eingeladen, seit du nicht mehr trinkst?
E: Ich glaube nicht. Was ja auch schön ist, gerade in meinem Job. Eine Gastrojournalistin ist ja erst einmal schon mit Trinken verbunden. Es wird aber sogar gern gesehen, dass ich keinen Alkohol trinke, weil ich jetzt jemand bin, der sich mit den Alternativen auskennt.
L: Die Zahlen sagen, dass Jugendliche heute weniger trinken, trotzdem ist Alkohol, gerade in Österreich, immer noch sehr positiv besetzt. Und Alkoholkonsum hat ja auch immer eine Funktion. Welche Funktion hatte er denn bei dir?
E: Es war auf jeden Fall dieses hedonistische Trinken, etwas zu erleben. Frauen trinken ja tendenziell eher, um was nicht zu fühlen oder um an Stress oder Ängsten vorbeizukommen. Bei mir war Alkohol eine Möglichkeit auszubrechen, aber schon auch manchmal um Traurigkeit oder Frustration nicht zu spüren.
L: Du hast in deinem Buch auch geschrieben, dass du eine Suchtbehandlung in Anspruch genommen hast. Was ist dir davon besonders positiv in Erinnerung geblieben, was war hilfreich?
E: Ich habe mich bei Frauen gut aufgehoben gefühlt. Meine Hausärztin hat zum Beispiel einen Anstoß gegeben für die Therapie. Ich kam wegen Schlafproblemen zu ihr und dann hat sie nach meinem Alkoholkonsum gefragt. Ich war sehr offen und dann ist sie auf eine sehr wertschätzende Art drauf eingegangen. Ich habe dann eine ambulante Entwöhnungstherapie gemacht mit Gruppen- und Einzelstunden. Ich war am Anfang in einer gemischten Gruppe, fand aber die Frauengruppe besser.
L: Was hat dir an der Frauengruppe besser gefallen?
E: Es ist doch eine andere Stimmung unter Frauen. Bei den Männern ging es gefühlt doch eher darum, dass man sich seine krassen Saufgeschichten erzählt. Ich kam da auch oft gar nicht zu Wort oder ich wollte auch nicht so richtig. Es war mit den Frauen einfach ein geschützter Raum, das hat mir sehr gut gefallen.
L: Vielen Dank für das Interview und danke, dass du mit deinem Buch und deiner Geschichte ein Tabu gebrochen hast. Ich habe es schon vielen Menschen geschenkt.
Ein herzliches Dankeschön auch der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH für die Möglichkeit, zwei Exemplare des Buchs verlosen zu können. Das Gewinnspiel findet noch bis 17.3.2023 auf unseren Facebook- und Instagramkanälen statt.