Frauen und Alkohol – eine oft übersehene Zielgruppe
Auch wenn neuerdings in sozialen Netzen, Podcasts und Interviews gefühlt immer mehr Personen ein konsumfreies Leben und Alkoholabstinenz propagieren, zeigen die Zahlen leider ein anderes Bild.
Seit einiger Zeit steigt der Prozentsatz der Frauen die problematisch oder riskant Alkohol konsumieren an. Einer der Gründe hierfür lässt sich in der Emanzipation finden, denn Frauen gleichen sich in ihren Konsummustern immer mehr den Männern an. War es früher noch verpönt, als Frau Alkohol zu trinken oder gar betrunken zu sein, ist das bei jüngeren Generationen nicht mehr so. Auch Frauen wollen das Recht haben, sichtbar in der Gesellschaft zu feiern oder zum Beispiel nach einem erfolgreichen Bussinestag auf einen Afterwork-Drink gehen. Zusätzlich gibt es aber noch andere Ursachen, die zu einem vermehrten Alkoholkonsum bei Frauen führen. Frauen leider mehr als Männer unter Doppelbelastungen durch Familie und Beruf, die Erwartungshaltung, alles unter einen Hut zu bekommen und zu schaffen, sind hoch. Neben den Belastungen durch die unbezahlte Carearbeit in der Familie sind Frauen auch häufiger in schlechter bezahlten und psychisch belastenden Berufen, wie zum Beispiel der Pflege, tätig.
Anders als bei Männern, die häufiger durch lautes oder aggressives Verhalten auffällig werden, verläuft die Sucht bei Frauen stiller. Sie trinken leise, heimlich, um Alltagssorgen zu vergessen, mit Stress umzugehen, um Probleme zu bewältigen oder einfach zum Entspannen. Aber dabei gelingt es ihnen lange zu funktionieren und unauffällig zu bleiben, sodass das Abgleiten in die Sucht oft unbemerkt bleibt. Wird dann deutlich, dass es eine Abhängigkeit gibt, bekommen Frauen oft weniger Unterstützung von ihrem Umfeld als Männer, eine Therapie aufzusuchen. Partner schauen oft länger weg, denn die trinkende Frau fällt nicht durch lautes oder unangenehmes Verhalten auf. In der Behandlung geben Männer häufiger an, Probleme wegen des Alkoholkonsums zu haben, während Frauen eher angeben, wegen vorhandenen Problemen vermehrt zu trinken.
Auch die negativen Auswirkungen auf den Körper sind bei Frauen etwas anders als bei Männern. Einerseits baut die Leber Alkohol langsamer ab, andererseits führen ein höherer Fettanteil bei geringerem Flüssigkeitsanteil dazu, dass Frauen Alkohol prinzipiell schlechter vertragen und es rascher zu alkoholbedingten Leberschäden oder Krebserkrankungen kommt. Selbst ein regelmäßiger geringer Alkoholkonsum lässt zum Beispiel das Brustkrebsrisiko steigen. Die körperlichen Schädigungen sind bei Frauen bei gleicher Konsummenge gravierender.
Welches Fazit gibt es auf Grund dieser Erkenntnisse für die Suchtprävention und die Suchthilfe? Wie immer in der Prävention muss mit geeigneten Maßnahmen auf der Verhältniseben und der Verhaltenseben reagiert werden, zum Beispiel einer gerechteren Aufteilung von Carearbeit und mental load, gleichen beruflichen Chancen und gleicher Bezahlung. Auf der Verhaltensebene wären folgende Ziele zu nennen: die Stärkung von Lebenskompetenzen vor allem von jungen Mädchen wie zum Beispiel besserer Umgang mit Emotionen oder Grenzen-Setzen. Rascheres Erkennen und Behandeln von psychischen Erkrankungen und individuelle Unterstützung bei schwierigen familiären Situationen könnten ebenfalls einen positiven Beitrag leisten. Gesellschaftspolitisch wäre es wünschenswert, weiter gegen Stigmatisierung von Personen mit einer Alkoholabhängigkeit vorzugehen, denn gerade Frauen vermeiden aus Scham oft lange den Kontakt mit dem Hilfesystem. Zu Guter Letzt gibt es auch für die Suchthilfe noch zu tun: nämlich den Ausbau von frauenspezifischen Angeboten und die Senkung der Schwelle, Hilfe in Anspruch nehmen zu können.
