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Abgestempelt und aufgegeben? Akzeptanz und Aufklärung als Möglichkeiten zur Entstigmatisierung

„Sucht ist eine Krankheit, keine Charakterschwäche.“ – ein Satz, der in vielen Gesprächen über Sucht oft nicht gehört wird. Doch genau hier setzt der Dialog an, der in der Suchtprävention und -beratung einen entscheidenden Beitrag zur Entstigmatisierung von Menschen mit Suchterkrankungen leistet. Der Dialog, in dem wir Menschen als zentrale Akteur_innen begreifen und nicht nur die Suchtproblematik in den Vordergrund stellen, verändert Perspektiven – bei Betroffenen und in der Gesellschaft.

Akzeptanzorientierte Haltung: Mehr als nur eine Therapieform

Ein zentrales Anliegen in unserer Arbeit ist es, eine akzeptanzorientierte Haltung zu vermitteln. Das bedeutet, dass wir Menschen mit einer Suchterkrankung nicht auf ihre Sucht reduzieren, sondern als ganzheitliche Individuen ansehen mit ihren eigenen Herausforderungen und Lebensrealitäten.

Ein besonders markantes Beispiel für diese Haltung zeigt sich bei der Opioid-Agonisten-Therapie. Sie wird oft missverstanden: Viele glauben, dass eine solche Therapie zwangsläufig auf Abstinenz hinauslaufen muss und nicht „richtige Heilung“ ist. Dabei handelt es sich um eine medikamentöse Behandlung – ähnlich wie die Behandlung chronischer Erkrankungen wie Diabetes oder Asthma. Genau wie ein Asthmatiker auf seine Medikation angewiesen ist, ist auch ein Mensch mit einer Abhängigkeitserkrankung auf seine Therapie angewiesen, um seine Lebensqualität zu verbessern und das Krankheitsbild zu stabilisieren. Diese Perspektive hilft, das Stigma zu überwinden und den Fokus auf die menschliche Dimension zu lenken.

Aufklärung in Workshops: Vom Verständnis zur Einsicht

In unseren Workshops zur Suchtprävention begegnen wir oft Aussagen wie „Wer einen starken Charakter hat, wird nicht süchtig“ oder „Wer Drogen nimmt, ist ein Opfer“. Hier setzen wir an: durch offene Gespräche, durch Aufklärung, durch das Aufzeigen, dass Sucht viele Ursachen hat, die miteinander verwoben sind und sich gegenseitig beeinflussen. Sucht ist keine Frage des Charakters oder der Willensstärke. Sie entsteht aus einer Vielzahl von Faktoren: der Gesellschaft, dem Umfeld, der Substanz und der Person selbst.

Gleichzeitig ist der Konsum von Substanzen nicht gleichbedeutend mit Sucht, und nicht jeder, der konsumiert, entwickelt eine Abhängigkeit. Indem wir diesen Unterschied klar herausarbeiten, gelingt es uns oft, dass der anfangs noch unverständige Blick in ein zunehmend einfühlsames Verständnis für die Komplexität von Sucht umschlägt.

Sucht als Krankheit verstehen

Ein weiterer wichtiger Baustein unserer Arbeit ist die Erklärung, dass Sucht eine Krankheit ist – eine Krankheit, die, so wie jede andere Krankheit, niemand absichtlich bekommt. Niemand entscheidet sich, süchtig zu werden. Und genauso wenig kann jemand durch „Willensstärke“ alleine eine Suchterkrankung bewältigen. Wir holen die Menschen dort ab, wo sie stehen, und zeigen ihnen, dass Sucht genauso wie andere chronische Erkrankungen eine medizinische und/oder psychologische Behandlung benötigt. So kann der Dialog nicht nur Barrieren abbauen, sondern auch eine Grundhaltung der Akzeptanz und des Verständnisses in der Gesellschaft fördern.

Fazit

Indem wir Menschen mit einer Suchterkrankung nicht nur als „Süchtige“, sondern als ganze Individuen anerkennen, fördern wir Verständnis und Empathie. Es geht darum, Sucht als das zu sehen, was sie ist: eine komplexe Krankheit, die professionelle Hilfe und Unterstützung benötigt. Durch Aufklärung können wir dazu beitragen, dass Menschen mit Suchterkrankungen nicht isoliert oder verurteilt werden, sondern die Hilfe bekommen, die sie brauchen, um ihre Erkrankung zu managen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.